Fachbeiträge
Daniela Müller
10.04.2018

Gründer überholen Nachfolger

In den Jahren 2017 bis 2019 streben laut KfW rund 620.000 Unternehmer eine Nachfolgeregelung an und suchen nach geeigneten Kandidaten, denen sie ihr Unternehmen anvertrauen können. Auf der anderen Seite sinkt jedoch die Zahl der potenziellen Nachfolger. Das macht es schwierig, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Daher resigniert der deutsche Mittelstand nicht nur vor dem demografischen Wandel, da die Stilllegung der Betriebe droht, sondern auch vor dem Tatendrang junger Unternehmer.

In 2016 drängten über 380.000 Gründerinnen und Gründer mit neuen Geschäftsideen in die Unternehmerwelt. 2015 betrug der Anteil von Unternehmensneugründungen an allen Gründungen 75 %, wohingegen Übernahmegründungen nur 8 % ausmachten.

Zwei Jahre später, 2017, gab es schon etwa 90 % Unternehmensneugründungen. Doch warum wagen sich so viele Unternehmer mit neuen Geschäftsmodellen und -ideen auf den Markt, statt „einfach“ bestehende Unternehmen fortzuführen und sie zu optimieren? Welche Problematiken können sowohl bei Neugründern als auch bei Firmenübernahmen aufkommen?

Neugründern bietet sich im Gegensatz zu Unternehmensnachfolgern der Vorteil, dass sie sich völlig eigenständig entfalten können und nicht an bestehende Verträge und Regelungen eines ursprünglichen Inhabers gebunden sind. Dies birgt jedoch das Risiko, dass Gründer ihre Ziele zu hoch ansetzen und zum Teil noch nicht genügend Praxiserfahrung besitzen, um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Dies kann Fehlschläge für die Neugründer bedeuten. Dazu müssen geeignete Mitarbeiter gefunden werden, mit deren Tatkraft der Unternehmenserfolg vorangebracht werden kann. Zudem gibt es zu Beginn noch keinerlei Kunden- oder Lieferantenbasis. Hier müssen sie erst durch Marketingstrategien Marktanteile gewinnen und Vertrauen generieren. Letzterer Aspekt mündet in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit von Start-Ups. Kunden fassen schnelleres Vertrauen zu Unternehmen, die bereits seit Jahren im Markt etabliert sind und stehen Neugründern eher skeptisch gegenüber. Dagegen zu halten ist jedoch, dass knapp 15 % der Gründer in Deutschland mit einem Produkt oder einer Dienstleistung an den Markt gehen, das regional, deutschlandweit oder weltweit als Neuheit zu klassifizieren ist. Dies bietet die Chance, Marktlücken zu schließen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zwar existiert in diesem Fall kaum ein Konkurrenzproblem, jedoch laufen Neugründer Gefahr, auf eine negative Marktresonanz zu treffen.

Ob ein Unternehmer die Neugründung wagt oder ein bestehendes Unternehmen weiterleitet, hängt weiterhin von diversen Aspekten ab. Kapital ist einer davon. Eine Unternehmensneugründung erfordert nicht viel Startkapital. In den meisten Fällen ist mit nicht mehr als 10 TEUR zu rechnen. Bei der Übernahme eines bestehenden Unternehmens hingegen müssen Nachfolger oft mehr als 50 TEUR bereitstellen. Dafür übernimmt der Nachfolger bereits bestehende Betriebs- und Prozessabläufe, den Mitarbeiterstamm, Betriebsvermögen, bestehende Wachstumspotenziale etc. Wohingegen Neugründer ihren Betrieb erst aufbauen und Potenziale generieren müssen.

Schwierigkeiten bei Firmenübernahmen sind darüber hinaus unterschiedliche, oft konträre Haltungen von Unternehmensinhaber und Nachfolger gegenüber der Aus- und Neugestaltung der Unternehmensabläufe, Handlungsstrukturen und Zukunftspotenziale. Dem aktuellen Inhaber sind eine intensive Einarbeitung sowie die Aufrechterhaltung von bestehenden Prozessen sowie Kunden- und Lieferantenbeziehungen wichtig. Auf der anderen Seite verfolgt der Nachfolger ganz eigene Pläne, wie die Optimierung des Betriebs z. B. durch die Modernisierung und Digitalisierung.

Eine weitere Problematik geht mit einer großen Erwartungshaltung einher. Studien belegen jedoch, dass Nachfolger diese oftmals nicht erfüllen können. Eine Untersuchung von Gründer- und Entrepreneurshipforscher Harald Habermann zeigt auf, dass sich die Performance von mittelständischen Unternehmen nach dem Inhaberwechsel zunächst sogar verschlechtert. Erst nach einer Eingewöhnungsphase, in der sich der Nachfolger in alle bestehenden Prozesse und Strukturen einarbeitet, können Verbesserungspotenziale besser erkannt und ausgeschöpft werden.

Fazit

Festzuhalten ist, dass vor allem Unternehmer, die keinen potenziellen Nachfolger in der Familie finden, sich mit zunehmendem Alter verstärkt mit dem Thema Nachfolgeregelung auseinandersetzen sollten. Die Nachfolgefindung gestaltet sich zunehmend schwieriger und nimmt eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch. In vielen Fällen ist ein stückweiser Ausstieg zu empfehlen. So geben eine Beratungsrolle oder gar weitere (Rück-)Beteiligung am Unternehmen des Inhabers nach der Transaktion sowohl der Belegschaft als auch Kunden und sonstigen Teilhabern Sicherheit für den bestehenden Erfolg und signalisieren Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens.

Je früher sich der Inhaber mit der Thematik „Nachfolgeregelung“ beschäftigt, desto größere Handlungsspielräume ergeben sich für ihn. Er steht nicht unter Zeitdruck und kann strukturiert vorgehen. Die Unternehmensnachfolge frühestmöglich einzuläuten ist der erste Schritt. Konsequentes Handeln im Verkaufsprozess ist der zweite Schritt, um den Inhaberwechsel effizient zu gestalten.

Die oben aufgeführten Problematiken beleuchten nur eine Vielzahl von möglichen Hürden, die ein Unternehmensverkauf mit sich bringen kann. Die Schaffung von Anreizen für junge Unternehmer kann das Interesse an der Übernahme von bestehenden Unternehmen fördern, beispielsweise durch von der Bundesregierung gestützte Subventionen. Bei Fortbestand der Unternehmen, die sich oft seit Jahrzehnten bewähren, bleiben sowohl Wirtschaftskräfte und Knowhow als auch der mittelständische Wohlstand sicher erhalten.

Wünschenswert ist, dass sich der Anteil an Neugründungen und der Anteil an Übernahmen annähern. Nachfolgeinhaber können auch in einem bestehenden Unternehmen, oft unter der Prämisse der Kompromissbereitschaft, neue Ideen einfließen lassen und den Betrieb sogar ausbauen und wachsen lassen. Nachfolger und Inhaber müssen rational abwiegen, inwieweit bestehende Strukturen und Prozesse optimiert und modernisiert oder gar neue Geschäftsfelder entwickelt werden können. Wichtig für die Wirtschaft ist jedoch der Fortbestand der Unternehmen durch Unternehmensnachfolger.