Presse
04.10.2023
Interview
„Jedes Geschäftsmodell steht mittlerweile auf dem Prüfstand“
Wie der Verkauf des Unternehmens am besten funktionieren kann
Von Alexander Görbing
Wann soll man verkaufen? Wie soll man verkaufen? Mit einem M&A-Profi arbeiten? Einem Unternehmer stellen sich bei einem möglichen Verkauf vielerlei Fragen. Wir sprachen über das kleine Einmaleins des Unternehmensverkaufs mit Patrick Seip, Managing Director von Sonntag Corporate Finance und der Nachfolgekontor GmbH.
Unternehmeredition: Ab wann sollte man sich Gedanken über eine Unternehmensnachfolge machen? Gibt es einen optimalen Zeitpunkt oder einen „Tag X“? Wie sieht hier Ihre Erfahrung aus?
Patrick Seip: Der eine „Tag X“ existiert nicht. Aus meiner Sicht gilt aber dabei: Zu früh gibt es nicht. Einen Plan sollte jeder Unternehmer in der Schublade haben – schließlich geht es hierbei nicht um irgendeine unwichtige operative Entscheidung, sondern um den Fortbestand des Unternehmens. Entsprechende Würdigung verdient das Thema. Es kann beispielsweise auch ein Notfall eintreten, der Unternehmer fällt aus. Auch dafür braucht es Regelungen. Und wenn ein Alter von 60 überschritten ist, dann wird es eigentlich höchste Zeit. Ist das Unternehmen nicht vorbereitet, kann sich eine Nachfolgeregelung hinziehen, es kann immer etwas dazwischenkommen – wie zuletzt Corona oder die Energiekrise durch den Ukrainekrieg. Grundsätzlich sollte ein Unternehmer regelmäßig in sich hineinhören und fragen, ob er noch für seine Firma und die weitere Entwicklung brennt. Ist das nicht mehr der Fall, kann es richtig sein, sich selbst zurückzunehmen und das Unternehmen und die langjährigen Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Brauche ich zur Vorbereitung eines Verkaufs externe Hilfe?
Man kann diesen ganzen Prozess auch selbst machen – im Prinzip ist das möglich. Die Begleitung ist aufwendig und sie kostet viel Zeit und Nerven, genau das also, wovon der typische Unternehmer am wenigsten hat. Man muss sich intensiv damit beschäftigen. Ein Unternehmer muss sich schon die Frage stellen, ob er das neben den tagtäglichen Aufgaben der Betriebsführung gewähr[1]leisten kann. Ist ein Verkaufsprozess mal in vollem Gange, muss dafür immer ausreichend Zeit eingeplant werden; Verzögerungen sind Gift. Da helfen auch keine operativen Ausreden. Es ist also in jedem Fall besser, einen Experten für die Prozessführung und Entscheidungsvorbereitung hinzuzuziehen. Dieser kann auch dabei helfen, zunächst den Status quo festzustellen und eine realistische und aktuelle Wertvermittlung vorzunehmen. Erfahrene Berater kennen die Fallstricke einer Übergabe. Ich muss nicht die gleichen Fehler machen wie viele vor mir. Es geht vor dem eigentlichen Verkaufsprozess auch darum, die Attraktivität zu beurteilen und eventuell mit genügend Vorlauf zu steigern oder die Verkaufsfähigkeit erst herzustellen.
Was hat sich auf dem Markt der Unternehmensnachfolge getan?
Durch die Ereignisse der letzten Jahre wird noch viel stärker in die Zukunft gedacht. Jedes Geschäftsmodell steht mittlerweile auf dem Prüfstand. Was über Jahrzehnte erfolgreich war, kann übermorgen schon obsolet sein. Die großen Herausforderungen unserer Zeit, wie der Klimawandel, befeuern bestehende Megatrends oder rufen neue hervor. Es ist noch wichtiger geworden, vorausschauend zu denken, kommende Entwicklungen vorwegzunehmen und dann auch flexibel und schnell zu handeln. Profiteure von diesen Entwicklungen sind unter anderem Spezialisten aus den verschiedensten Branchen mit Fokus auf Themen wie erneuerbare Energien, Infrastrukturausbau, Digitalisierung und Automatisierung, Bildung, Mobilität oder Sicherheit. Bei den Motiven für Übernahmen herrschen Nachhaltigkeit, Technologievorsprung, Erweiterung des bestehenden Geschäftsmodells oder auch Risikoallokation vor. Renditeorientierte Investoren bauen verstärkt auf alternative Strategien, um den fehlenden Leverage-Effekt zu kompensieren. Es geht immer häufiger um die Frage: „Wie kann ich mein Portfolio gezielt und sinnvoll ergänzen?“ Dadurch sind Buy-and- Build-Strategien gerade in fragmentierten Branchen weiter auf dem Vormarsch. Das macht auch kleine Unternehmen für Private Equity interessant und schafft neue Optionen für die Nachfolge.
Wo finde ich externe Berater für den Unternehmensverkauf am besten? Was zeichnet einen guten M&A-Berater aus Ihrer Sicht besonders aus?
Der Markt ist mittlerweile sehr intransparent. Das macht unter anderem die Abgrenzung zwischen Berater und Vermittler schwierig. Ich rate immer dazu, bei der Suche und Auswahl gewissenhaft vorzugehen und neben dem Bauchgefühl auch eine zweite Meinung einzuholen, zum Beispiel durch den vertrauten Steuerberater oder Rechtsanwalt. Objektive Kriterien können sogenannte League Tables sein: Das sind Rankings, die einmal pro Quartal Beratungshäuser nach der Anzahl ihrer erfolgreich abgeschlossenen Transaktionen in verschiedenen Größensegmenten und Regionen listen. Das größte Qualitätsmerkmal ist jedoch Kontinuität – wer es in einem volatilen Beratermarkt schafft, sich über einen langen Zeitraum hinweg mit hoher Dealaktivität positiv zu entwickeln, kann zwangsläufig keine schlechte Wahl sein. Ähnliche Referenzen weisen zudem auf ein gutes Netzwerk und Erfahrungen aus vergleichbaren Transaktionen hin. Der Fokus des Beratungshauses sollte zur Unternehmensgröße passen, damit das Vorhaben auch die verdiente Aufmerksamkeit erhält.
Wie gestaltet sich aus Ihrer Sicht als Berater eine optimale Vorbereitung für einen Unternehmensverkauf? Welche Informationen braucht der Unternehmer?
Eine optimale Vorbereitung startet weit vor dem eigentlichen Verkaufsprozess. Es geht vor allem darum, Abhängigkeiten vom Inhaber zu reduzieren, wichtige Geschäftsbeziehungen zu Kunden oder Lieferanten abzusichern oder breiter aufzustellen sowie Transparenz im Zahlenwerk zu schaffen. Viele Unternehmer versteuern die Veräußerungsgewinne leider auf privater Ebene, obwohl sie den Erlös möglichst steuerneutral in andere Vorhaben reinvestieren möchten. Hier sind Steuerberater in der Pflicht, frühzeitig geeignete Strukturen aufzusetzen. Schlussendlich kann das Unternehmen noch so gut aufgestellt sein, wenn der Unternehmer nicht bereit ist, emotional loszulassen. Steht der Prozess an, gilt es für uns, nicht nur die Finanzkennzahlen, sondern das Unternehmen als Ganzes mit seinem einzigartigen Geschäftsmodell umfassend zu verstehen. Durch diesen Prozess lernt häufig auch der Unternehmer seinen Betrieb nochmals viel besser kennen. Im Kern geht es um die realistische Ermittlung von Chancen und Risiken sowie der Marktposition und den zugrunde liegenden Alleinstellungsmerkmalen. Das Verständnis von Technologien, Prozessen, der Verteilung des Umsatzes nach Produkten, Dienstleistungen und Regionen lässt uns strategische Anknüpfungspunkte zu möglichen Investoren ableiten. Wir empfehlen unseren Mandanten nach Möglichkeit immer, im Prozess Alternativen aufrechtzuerhalten und Exklusivitätsphasen – wenn überhaupt – kurz zu halten. Unsere zentrale Aufgabe ist es dann, unterschiedliche Investorentypen entsprechend zu würdigen und mit den für die Entscheidung relevanten Informationen zu versorgen. Entsteht dann noch eine Vertrauensbasis zwischen Verkäufer und Käufer, lassen sich auf der Zielgeraden meist sogar die kniffligsten Vertragsklauseln aus dem Weg räumen.
Welche Fehler in der Vorbereitung und Durchführung sollte man unbedingt vermeiden? Haben Sie vielleicht eine Art Topliste für beide Phasen – vor und während des Verkaufs?
Ein häufiger Fehler besteht darin, zu spät oder überhaupt nicht mit den Vorbereitungen anzufangen. Zeit und Potenziale, die hier verloren gehen, lassen sich meist nicht mehr aufholen und sorgen je nach Ausgangssituation für Verkaufsdruck und schlechtere Bedingungen. Timing ist wichtig – dennoch sollte es nicht das Ziel sein, auf dem Peak zu verkaufen, gegebenenfalls sogar noch durch kurzfristige Kosteneinsparungen, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit infrage stellen. Überschreitet das Unternehmen während des Prozesses seinen Zenit und bricht die Auftragslage weg, liegt das Vorhaben erst einmal auf Eis und verzögert sich weiter. Während des Verkaufsprozesses passieren die häufigsten Fehler bei der Auswahl der geeigneten Kandidaten. Die Nachhaltigkeit des Interesses wird überschätzt, Alternativen frühzeitig über Bord geworfen und die Festlegung der wesentlichen Parameter auf die lange Bank geschoben. Passen die Rahmenbedingungen und ist das Momentum gut, haben unnötige Verzögerungen keinen Platz und gefährden den Projekterfolg. Käufer stellen die Verkaufsabsicht infrage und fokussieren sich auf andere Investitionsmöglichkeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Patrick Seip legte sein Diplom in Wirtschaftsmathematik an der Philipps Universität Marburg ab. Seit 2016 ist Seip Managing Director von Sonntag Corporate Finance sowie seit 2018 auch Managing Director bei der zur Gruppe gehörenden Nachfolgekontor GmbH. Gemeinsam mit Julian Will hat er den internen Management-Buy-out initiiert und umgesetzt. Beide sind heute Hauptgesellschafter der mittelständischen Beratungsgruppe und weisen Erfahrungen aus über 100 erfolgreich abgeschlossenen Projekten auf. www.sonntagcf.com www.nachfolgekontor.de