Presse
29.05.2024
Die Unternehmer auf der Suche nach einem Nachfolger werden immer jünger; gleichzeitig steht dem riesigen Angebot eine kleinere Käufergruppe gegenüber. Inwiefern sich dies auf die Transaktionspreise auswirkt und wie sich der M&A Markt entwickeln wird, berichtet Patrick Seip von sonntag corporate finance.
VC Magazin: Dem Nachfolge-Mittelstandspanel 2023 zufolge planen immer mehr Unternehmer, sich zurückzuziehen. Ist das auch Ihre Wahrnehmung?
Seip: Es sind sogar noch mehr, als das Institut für Mittelstandsforschung herausgibt, denn dort werden Unternehmer ab einem Alter von 60 Jahren gelistet. Der typische Unternehmer, der mit uns für seine Nachfolge in Kontakt tritt, ist heute wesentlich jünger und damit noch nicht in deren Statistik aufgeführt. Die Nachfolgewelle wird gigantisch und auf der einen Seite beängstigend. Andererseits sehe ich es auch positiv, da sich die Unternehmer frühzeitig um das Thema kümmern.
VC Magazin: Welche Rolle spielt heutzutage der eigene Nachwuchs noch bei der Unternehmensnachfolge?
Seip: Die aktuelle Generation der Mittfünfziger ist deutlich später Eltern geworden, so unser Eindruck. Deren Kinder sind aktuell zwischen zwölf und 15 Jahre alt und damit noch weit entfernt von einer Nachfolge. Diese Unternehmer brauchen eine Lösung für die nächsten 15 bis 20 Jahre, wenn sie jetzt über Nachfolge nachdenken. Noch dazu kommt eine erhebliche Unsicherheit, ob sich die Kinder später für das Unternehmen entscheiden werden. Viele dieser Kandidaten melden sich bei uns, um ihre Ausgangssituation genau zu durchdenken. Wir können den Prozess anstoßen und einen starken Partner suchen, der die Herausforderungen der aktuellen Zeit bestmöglich mit ihnen bewältigt. Der Unternehmer muss dafür aber auch bereit sein, zunächst einen Unternehmensteil abzugeben und eine stufenweise Umsetzung zu realisieren.
VC Magazin: Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen bei der Unternehmensnachfolge?
Seip: Die mit Abstand größte Herausforderung ist der Nachfolgebedarf an sich. Das Angebot übersteigt die Nachfrage um ein Vielfaches. Die Konsequenz wird sein, dass viele Unternehmen, die sich momentan in weniger attraktiven Branchen befinden, nicht die beste Perspektive vor sich haben. Ein riesiges Thema ist zudem der Fachkräftemangel und dessen Folgen. In Verhandlungs- und Personalgesprächen bestimmt der Mitarbeiter, wo es langgeht, und das fällt dem klassischen Unternehmenspatriarchen schwer. Da muss sich entweder der Unternehmer wandeln oder selbst eingestehen, dass er eine neue Kultur und neue Partner braucht, die auf die Generationen Y und Z eingehen können. Daneben schrecken neue Vorschriften in puncto Digitalisierung und Nachhaltigkeit Nachfolger ab, da diese Regelungen oftmals die Strukturen kleinerer Unternehmen überfordern.
VC Magazin: In welchen Branchen beobachten Sie ein besonders hohes Transaktionsaufkommen, wo ein geringeres?
Seip: Ein Blick auf die letzten fünf Monate zeigt, dass wie schon in den letzten Jahren die Top-fünf-Branchen Software/IT, Energie, Anlagenbau, Healthcare und Maschinenbau weiter im Trend liegen. Letztere ist ein wenig überraschend, kommt aktuell aber verstärkt zurück. Das freut uns besonders, da wir im Maschinenbau in der Vergangenheit sehr stark aufgestellt waren. Eine weitere Rolle spielt zudem Handwerk beziehungsweise technische Gebäudeausrüstung, letztlich bedingt durch die Energiewende, die auch die privaten Haushalte erreichen muss. Zu den Ladenhütern zählen aufgrund rückläufiger Auftragsbestände hingegen Konsumgüter, Automotive und der klassische Hochbau. Hier wird die Zukunft zeigen, inwiefern die Politik einwirkt oder eine vereinfachte Bürokratie einen Schub nach vorn bringt.
VC Magazin: Welche Finanzierungstrends nehmen Sie derzeit bei Finanzierungsübernahmen wahr?
Seip: Seit den Zinssteigerungen sind die Finanzierungen sehr konservativ geworden, sprich wenig Leverage, viel Eigenkapital. Hinzu kommen alternative Finanzierungsinstrumente fernab vom klassischen Bankdarlehen wie Leasing oder Sale and Lease Back-Lösungen, um nach der Übernahme über Liquidität zu verfügen. Seit einiger Zeit sehen wir zudem einen verstärkten Einsatz von Verkäuferdarlehen. Vielen Banken ist das zunehmend wichtig, um sicherzustellen, dass der Altinhaber einen monetären Anreiz hat, um die Übergabe bestmöglich zu unterstützen. Wer weniger auf Fremdkapital angewiesen ist, hat einen Wettbewerbsvorteil – deshalb sehen wir verstärkt Transaktionen an Strategen aus dem Marktumfeld. Durch die Aufhellung der Finanzierungsbedingungen kommen auch immer mehr Private Equity-Gesellschaften zurück; das ist grundsätzlich ein gutes Zeichen.
VC Magazin: Wie bewerten Sie das Preisniveau?
Seip: Wenn sich Angebot und Nachfrage annähern, hat das eine positive Entwicklung auf den Preis. Eine Zeit lang waren die Preisvorstellungen der Verkäufer zum Teil irrational oder auch emotional begründet, aber seit ein paar Monaten sehen wir eine Preisstabilisierung auf einem vernünftigen Maß. Wir sind daher zuversichtlich, dass wir wieder mehr Deals sehen werden.
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie für den M&A-Markt in der zweiten Jahreshälfte?
Seip: Im Small Cap-Bereich bis 50 Mio. EUR Transaktionsvolumen und bei Lower Mid Cap, wo unser Schwerpunkt liegt, maximal 150 Mio. EUR – dort werden die Aktivitäten sicher zunehmen. Die Entwicklungen sehen zumindest danach aus. Viele Nachfolgeprozesse wurden auf Eis gelegt und dürften demnächst wieder aus dem Regal geholt werden. Auch die Private Equity-Fonds werden mehr Nachfrage generieren. Außerdem ist die mittelständische Struktur unserer Wirtschaft sehr gut, und die Unternehmer planen künftiges Wachstum, was sich nicht immer aus dem operativen Geschäft realisieren lässt. Insofern brauchen diese Unternehmen Zukäufe wie kleine Nischenanbieter. Hier entsteht eine neue, bestens informierte Käufergruppe, mit der wir auf Augenhöhe sprechen können, und wir spüren eine verstärkte Nachfrage aus diesem Bereich.
VC Magazin: Sie erzielten im letzten Jahr ein Rekordjahr mit Ihren Deal-Aktivitäten. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung für Ihr eigenes Haus?
Seip: Wir sind in diesem Jahr wieder auf einem guten Niveau unterwegs, waren zu Beginn des Jahres bei der Mergermarket League Table auf Platz eins bei der Anzahl der Transaktionen, worauf wir schon stolz sind. Diese Entwicklung setzt sich dynamisch fort – wir haben einige Transaktionen kurz vor Abschluss und blicken positiv auf die nächsten Monate. Wir erwarten daher auch, das Rekordjahr 2023 mindestens einzuholen oder zu übertreffen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Ein Interview mit Patrick Seip, Managing Director bei sonntag corporate finance.
Dieses Interview wurde von Janine Heidenfelder, Chefredakteurin VentureCapital Magazin, verfasst und veröffentlicht.